Patanjali

Patanjali (skt. पतञ्जलि Patañjali m.) war ein indischer Weiser, der schätzungsweise zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und dem 4. Jh. n. Chr. gelebt hatte. Er verfasste das Yogasutra und gilt deswegen als Vater des Yoga. Der Mahabhashya genannte Kommentar zur Ashtadhyayi, der Sanskrit Grammatik des Panini, sowie eine ayurvedische Schrift werden ihm ebenfalls zugeschrieben. 

Patanjali dürfte einer der bekanntesten, im Westen vielleicht der bekannteste unter den klassischen Yogameistern sein. Das Wort Patanjali besteht aus zwei Wörtern: Anjali, Verneigung und „Pata“, meisterhaft. So ist Patanjali meisterhafte Verneigung. Das drückt die Demut eines Meisters aus.

Das Yogasutra

Das Yogasutra von Patanjali ist eine Abhandlung über den menschlichen Geist. Seit Jahrhunderten wird es immer wieder neu interpretiert und ist heute im Westen der meist kommentierte klassische Yogatext überhaupt. Das Yoga Sutra ist der Raja-Yogatext schlechthin. Es geht um das Kennenlernen und die Kontrolle des Geistes, die Überwindung von Leiden und die Selbstverwirklichung. Obwohl das Yogasutra als Raja-Yogatext gilt, findet man an einigen Stellen auch ausgezeichnete Hinweise für die anderen Aspekte des Yoga.

Das Yogasystem des Patanjali beruht philosophisch auf den Begriffen der Samkhya-Philosophie (wie PurusaPrakritiParinamaAvidyaKaivalya). Es verbindet diese mit Elementen aus anderen Traditionen. Patanjali erkennt im Unterschied zum atheistischen Samkhya den persönlichen Gott (lsvara) an und sagt, dass Gottesverehrung schnell zur Befreiung führt. Er bezieht so die großen Bhakti-Traditionen mit ein. Patanjali beschränkt sich nicht wie Samkhya auf Viveka und Vairagya (Unterscheidungskraft und Loslösung) als Mittel zur Befreiung, sondern gibt Übungen zum Beruhigen (Nirodha) der Gedanken (Vrtti) im Geist (Citta). Sind die Gedanken im Geist zur Ruhe gebracht, verwirklicht man sein wahres Wesen (II 2-3). An einigen Stellen benutzt Patanjali den Atman-(Selbst-)Begriff des Vedanta. Mehrmals, insbesondere im 3. Kapitel, greift er auf Begriffe von Tantrazurück, z. B. Nadi (Energiekanal), Chakra (feinstoffliches Energiezentrum), Udana und Samana (Lebensenergien). Patanjali ist nicht der Erfinder dieses Systems, er hat altes, längst vorhandenes Wissen zusammengefasst und geordnet. 

Patanjali selbst spricht nicht von Raja Yoga, sondern von Yoga allgemein. Der Ausdruck Raja Yoga stammt aus späteren Schriften. In der Hatha Yoga Pradipika z. B. heißt es: „Wir üben Hatha Yoga, um Raja Yoga zu erlangen.“ Denn es ist sehr schwer, nur durch geistig-psychologische Techniken Kontrolle über den Geist zu erlangen. Asanas(Körperstellungen) und Pranayama (Atemübungen) können uns dabei helfen. So haben die Hatha Yoga-Schriften den Ausdruck „Raja Yoga“ für die Sutras von Patanjali populär gemacht. Raja heißt wörtlich „Herrscher“; durch Raja Yoga werden wir zum Herrscher über unseren Geist und unser Leben.